Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen
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Predigt zu Jesaja 40,1-8 3. Sonntag im Advent (12. Dezember 1999) Vikar Martin Jensen Bereitet dem Herren den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig. Jes 40, 3.10 Predigttext Jes 40, 1-8: Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, daß ihre Knechtschaft ein Ende hat, daß ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedriget werden, und was uneben ist, soll gerade und was hügelig ist, soll eben werden. Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat´s geredet. Es spricht eine Stimme: Predige! und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Evangelium: Mt 11, 2-6 Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert." Liebe Gemeinde, "Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat´s geredet." Jesajas Wangen glühen vor Aufregung. Er sitzt weit vorgebeugt auf seinem Schemel. Mit großen Augen sieht er seinen Freund Jonathan an. "Ist das nicht toll, Jonathan? Gott wird uns nicht als Gefangene sterben lassen, weit weg von zu Haus. Gott wird uns befreien. Er wird kommen durch die Wüste. Gott wird uns befreien und heimbringen in unser Land." Jesaja springt bei den letzten Worten auf und reißt die Arme hoch. So, als ob er jubeln und die ganze Welt umarmen möchte. Doch da bricht es über ihn herein: "Du spinnst wohl. Willst du mich für dumm verkaufen? Was bildest Du Dir eigentlich ein?" Jonathan steht vor ihm, mit funkelnden Augen. Seine großen Hände schütteln Jesaja durch. "Du Narr, sieh dich doch um. Wo ist denn Gott? Wir sterben und keiner rettet uns aus diesem Elend." Voll Wut schubst Jonathan Jesaja auf den Schemel zurück. Peng, landet Jesaja mit dem Schemel auf dem Fußboden. Jonathan dreht sich wutentbrannt um. Funkstille zwischen Freunden. Hier blenden wir uns aus. Wie kann ein Mensch über die Verheißung der Ankunft Gottes so erbost sein? Könnte ich denn erbost sein in der Adventszeit, daß Gott kommen? Jonathan hat tatsächlich allen Grund, auf Jesaja wütend zu sein. Die augenscheinliche Lage ist gar nicht rosig. Vierzig Jahre vor diesem Gespräch wurden die beiden als Kinder mit Tausenden von Juden deportiert. Die Soldaten des Babylonischen Reiches hatten Israel blutig erobert. Die Hauptstadt Jerusalem war eingenommen. Der zentrale Ort des Gottesdienstes, der Tempel in Jerusalem, wurde zerstört. Die Bundeslade mit den Zehn Geboten weggebracht. Jesajas und Jonathans Eltern gehörten zur religiösen und gesellschaftlichen Oberschicht des Volkes. Sie wurden über 2000 Kilometer verschleppt. Der Weg führte um die große arabische Wüste herum nach Babylonien. In Israel blieben nur Bauern und Handwerker zurück. Sie mußten für die neue babylonische Oberschicht buckeln und schuften. Die deportieren Juden, die den Gewaltmarsch überlebten, wurden in Babylonien zwangsangesiedelt. Sie lebten zwischen der babylonischen Bevölkerung wie im Ghetto. Keine Befreiung in Sicht. All das geht Jonathan durch den Kopf. Und sein Freund Jesaja spricht so ganz selbstverständlich von der Ankunft Gottes. Gott wird durch die Wüste kommen, auf einer ebenen Bahn. Durch die todbringende Wüste. Na klar. Und Gott wird die Knechtschaft beenden: "Redet freundlich mit Jerusalem und predigt ihr, daß ihre Knechtschaft ein Ende hat." Ist das nicht verrückt. Gegen alle Erfahrung spricht Jesaja von einem konkreten Ende der Knechtschaft. Jonathan ist verstört. Schließlich sehnt er genauso wie Jesaja das Kommen Gottes herbei. Wenn doch die Zeit der Zwänge vorbei wäre. Wenn doch seine Kinder in Freiheit aufwachsen könnten. Wenn doch Gott diesen gottlosen Gewaltherrschern endlich mal das Maul stopfen würde. Greif ein, Gott, greif ein! Das Unrecht triumphiert! Ich kann die Verstörung Jonathans gut verstehen. Sind wird denn heute besser dran als Jonathan vor 2500 Jahren? Die dritte Kerze brennt am Adventskranz. Seit Donnerstag steht das Friedenslicht aus Bethlehem in unserer Kirche. Aus dem Radio, aus den Geschäften brandet uns Weihnachtsstimmung entgegen. Die Menschen kaufen, als ginge es um ihr Leben. Doch ob sich die adventliche Freude auf das Kommen Gottes zu unserem Herzen Bahn brechen kann, ist damit noch nicht gesagt. Schließlich geht der Alltag mit seinen Anforderungen und Chancen weiter. Enttäuschungen und Freude wechseln sich ab. Wir sind genauso unfrei wie Jonathan und Jesaja es waren. Die Frage ist, ob wir uns genauso aufregen lassen, wie Jonathan. Denn im Herzen Jonathans tobt ein Kampf auf Leben und Tod. Das Schütteln seines Freundes Jesaja ist nur das äußere Zeichen. Jonathan kämpft mit sich. Er läßt sich herausfordern durch die Heilsankündigung Jesajas: Advent, Gott wird kommen durch die Wüste. Jonathan ringt mit sich, mit seiner Resignation, mit der Erfahrung der Unfreiheit. Kann Gott wirklich kommen, mitten durch die Wüste? Kann Gott wirklich das Elend, das Leiden, die Schrecken der Welt durchkreuzen? Ein Mensch nach der Ausbildung. Nicht übernommen, kein Arbeitsplatz. Ein Mensch unter den Belastungen des Berufes: Der Griff zur Flasche wird zur Gewohnheit. Eine Mutter verzweifelt; ein Baby stirbt im Abfall. So wüst sieht es in uns aus. So gering kann die Hoffnung sein. Da ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedriget werden, und was uneben ist, soll gerade und was hügelig ist, soll eben werden. Das ist die Provokation im Advent, die Provokation des Jesaja. Gott wird kommen mitten durch eure Wüste. Mitten durch eure Hoffnungslosigkeit. Vertraut auf Gott. Ihr könnt sie einreißen, die Zweifel, die Ängste, die die Hoffnung in Euch einzwängen. Ebnet dem kommenden Herrn den Weg zu euren Herzen. Richtet Euch auf, macht euch bereit. Der Herr der Herrlichkeit kommt. Nicht morgen, nicht in 1000 Jahren, sondern jetzt. Nehmt die Decke der Traurigkeit ab von euren Herzen. Überlaßt die Traurigkeit Gott. Laßt die Hoffnung in Euch leuchten, wie ein Licht. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit. Und wenn die Tür der Herzen nun nicht so schnell aufschwingen will? Wenn wir den Stern von Bethlehem eher ahnen als sehen können? Wenn wir das Friedenslicht von Bethlehem, hier auf dem Altar, nur sehen, aber nicht spüren? Dann können wir Gott fragen, so, wie Johannes im Evangelium Jesus gefragt hat: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" Jesus antwortet nicht mit einem klaren Ja. Sondern er zeigt den Fragenden die Zeichen der Ankunft Gottes: "Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt." Jesus stellt keine Behauptung auf, sondern er zeigt um sich, in unsere Umwelt. "Mensch, macht doch die Augen auf. Sieh, wie die Kraft Gottes Menschen verändert. Sieh genau hin. Das Wirken Gottes springt uns nicht ins Auge, wie eine Werbereklame. Die Geburtshöhle in Bethlehem war auch klein. Der Stern leutete weit, aber nur ein paar Hirten und drei Könige kamen dorthin. Die meisten nahmen die Kraft des Lichts gar nicht wahr." So ist es heute auch hier in der Kirche. Alle Leuchter sind auf volle Leistung gestellt. Das Friedenslicht am Altar fällt von seiner Leuchtkraft kaum auf. Wenn wir aber unserer Blick auf das Kreuz richten, dann sehen wir es: das Friedenslicht, klein, aber beständig. Lichtzeichen der Liebe Gottes. Dann können wir die Ankunft Gottes spüren. Unscheinbar aber unaufhaltsam. Auch Jesaja hatte vor 2500 Jahren genau hingeguckt. Die Gesamtlage war deprimierend. Damit hatte Jonathan recht. Aber Jesaja achtete auf die kleinen Zeichen, auf die Schwäche des Unrechts. Er beobachtete genau, wie das Babylonische Regime ins Wanken geriet. Nachrichten von einer neuen Großmacht drangen an sein Ohr. Kyros hieß der Mann. Perser von Herkunft. Er gewann Schlachten an den Grenzen des Babylonischen Reiches. Und sein Ruf klang nach Religionsfreiheit. Die Perser deportieren keine Menschen. Sie achteten die Religion der eroberten Völker. Und tatsächlich, die Knechtschaft hatte ein Ende. Babylonien wurde erobert und Kyros schenkte den deportierten Juden die Freiheit. Jonathan und Jesaja konnten zurückkehren und die feindliche Wüste hinter sich lassen. Es sollten noch viele Jahre vergehen, bis der Tempel wieder aufgebaut war. Doch die Herrlichkeit des Herrn war tatsächlich gekommen und hatte ihre Herzen erneut entflammt. Die Liebe Gottes läßt sich auch heute in kleinen Lichtzeichen finden. Wenn wir die Ankunft Gottes im Alltag wahrnehmen, dann wird der Stern von Bethlehem unsere Herzen erleuchten. Amen
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