Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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18. Juli 1999 - 7.Sonntag nach Trinitatis - Johannes 6,30-35
Susanne Jensen
Liebe Gemeinde,

Das Johannesevangelium ist das 4. Evangelium des NeuenTestaments,
nach Matthäus-, Markus- und Lukas.
Es ist auch das jüngste Evangelium, um 100 nach Christi Geburt
in Kleinasien von einem Judenchristen verfasst.

Mit diesem Teil des Neuen Testaments haben „die Theologen und 
Theologinen“ ihre Schwierigkeiten,
denn es ist auch das „theologischte“ Evangelium.
Johannes schreibt in einer geheimnisvollen Sprache von 
der Offenbarung Gottes in Jesus Christus.
Er schreibt in einer Sprache für Glaubende -
Das Johannesevangelium ist also ein Glaubensbuch.
In ihm finden wir kraftvolle Bilder,
mächtige Glaubenssätze, die in Worten vom Geheimnis
der göttlichen Offenbarung künden.
Einer dieser „Spitzensätze“ aus dem Prolog, dem 1.Kapitel,
lautet: Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit 
als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
„Das Wort ward Fleisch“ ist die theologische Kernaussage.
Sie steht über allem und will bei jedem Kapitel, ja bei jedem Vers 
des Johannesvangeliums mitgedacht werden: „Das Wort ward Fleisch.“

Unser Predigttext steht in der Brotrede des 6.Kapitels.
Es geht um´s Brot,
es geht um´s Essen, und damit um etwas Exsistentielles.
Die Speisung der 5000. 
Mit 5 Gerstenbroten und 2 Fischen bekommt Jesus 5000 Menschen satt.
„Jesus nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten,...“
Mit dieser Brotgabe ist den Menschen 
die Offenbarung Gottes in Jesus Christus begegnet.

Jesus tut Wunder, indem er gibt, was materiell erstmal nicht
vorhanden ist, - er schafft, was andere nicht schaffen.
Seine wunderbare schöpferische Kraft setzt er ein - er tut ein Zeichen.

Die Menschenmenge kann viele solcher Zeichen vertragen
und fragt auch immer wieder nach Zeichen.
„Was tust du für ein Zeichen,
damit wir sehen und dir glauben?“
Zeichen soll es geben, damit wir glauben können,
daß „das Wort wirklich Fleisch geworden ist“.
Auf der einen Seite ist der Hunger, die drängende Sehnsucht,
auf der anderen Seite der verborgene Gott, der geglaubt werden möchte.

Hunger und Durst sind uns ins Herz gepflanzt.
„Gott, du bist mein Gott, den ich suche.
Es dürstet meine Seele nach dir
mein ganzer Mensch verlangt nach dir
aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.
So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum,
wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.“
So spricht der Beter des 63.Psalm.

Ich kenne dieses Verlangen;
es hat mich von Kindheit an gepackt.
In der 4.Klasse meier Volksschulzeit war ich ein recht dickes Kind.
Eine dicke Suse mit Karamellbonbons und schön-salzigen Chips bewaffnet.
Essen ist etwas Exsistentielles;
wir brauchen es - es macht uns satt und manchmal „glücklich und zufrieden“.
In der Pausen verschlang ich mein Brot
und kaufte mir noch was Salziges dazu: harte Salzbrezeln oder eben Kartoffelchpis.
Es gab auch diese Waffeln mit weiß-rosa Zuckerschaum dazwischen.
Ich war in dieser Zeit ein unglückliches Kind,
schlecht in der Schule - gerade umgezogen von Frankfurt nach Ingolstadt,
also von Hessen nach Bayern. 
An einem Morgen wurde mir klar, daß es das leibliche Essen nicht bringt.
„Den Leib vollschlagen“ stillt keine Sehnsucht nach Frieden, nach Erlösung, nach Gott.

Der Frühstückstisch lag vor mir mit Katenbrot und Schinken.
Ich fand mit dem Essen kein Ende und wurde doch nicht satt. -
Aus eigenem Entschluß 
ließ ich nach diesem Erleben die Extratüten an Süßem und Salzigem weg.
Es dauerte lange, bis ich mich von „meinem Dicksein“ erholte.
„Gott, du bist mein Gott, den ich suche.
Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir ...“

In dieser Zeit verband sich auch meine Seele mit meinem Leib,
und „mein Hunger“ wurde ein „geistlicher Hunger“.
Nun kommt wieder das Johannesevangelium ins Spiel.
Kernige Sätze aus diesem Evangelium haben sich mir früh eingeprägt.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben,
niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“
Die Ich-bin-Worte offenbarten mir Geheimnisvolles,
und ließen mich trotzdem im Unklaren, es waren ja nur Worte.
Diese Worte, waren sie zum Essen geeignet?

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,...“
Ich bin das Brot, 
ich bin das Licht,
ich bin die Tür,
ich bin der gute Hirte,
ich bin die Auferstehung und das Leben ...
der Weinstock und ihr seid Reben... Worte

Ich war tatsächlich hungrig geworden nach diesen Worten.
Sie waren wie eine Saat in mir, 
in mich hineingelegt brauchten sie Zeit.
Sie wuren in meinem Herzen hin und her bewegt, 
dehnten sich aus und machten meine Sehnsuch groß.

Jesus tut Wunder, er stezt Zeichen.
Er speist mit 5 Gerstenbroten und 2 Fischen 5000 Menschen.
Und die Menschen werden so satt, 
daß sie ganze Körbe voller Brocken übriglassen.
Nach diesem Mahl am See Genezareth
fordern sie Tags darauf wieder Zeichen, ein neues großes Essen.
„Was tust du für ein Zeichen,
damit wir sehen und dir glauben?“
Sie erinnern sich an das Wüstenbrot, an das Manna.
Dieses Manna vom Himmel wollen sie haben.
„Da sprach Jesus zu ihnen: 
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, 
sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 
Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt 
und gibt der Welt das Leben. 
Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. 
Jesus aber sprach zu ihen: Ich bin das Brot des Lebens. 
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; 
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“
Allezeit wollen sie dieses wahre Himmelsbrot.
Jesus antwortet ihnen mit einem Ich-bin-Wort.
Ich bin das Brot - so ward das Wort Fleisch.

Um meiner unstillbaren Sehnsucht eine Heimat zu geben,
habe ich als Jugendliche ein französisches Neues Testament zur Hand genommen, „Le 
Nouveau Testament en francais courant“.
Dieses Testament, besser dieses „Evangelium“
habe ich mit einem Wörterbuch Wort für Wort von Französischen ins Deutsche
übersetzt. Dies war meine erste Begegnung mit Französisch und
mein erstes intensives Studium der Heiligen Schrift.
Begreiflicherweise dauerte es lange und
„mein Hunger“ wurde nur Häppchenweise gestillt.
Ich erinnere mich ganz genau an das Übersetzen des Johannesevangeliums.
Es wurde für mich damals „das Evangelium, welches“,
das Evangelium der Evangelien.
„Je suis le pain de vie.
Celui qui vient à moi n´aura jamais faim
et celui qui croit en moi n´aura jamais soif.“
„Ich bin das Brot des Lebens.
wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“

Die Ich-bin-Worte gewannen an Substanz,
sie haben mich täglich gesättigt, wie das tägliche Brot,
doch sie machten mich nicht dick und übersatt.
Ich habe sie in mich aufgenommen und gebetet.
Ich betete sie so, wie der Beter des 63.Psalm spricht:
„Das ist meines Herzens Freude und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann:
wenn ich mich zu Bett lege, so denke ich an dich,
wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.
Denn du bist mein Helfer,
und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Meine Seele hängt an dir; 
deine rechte Hand hält mich.“
Die Ich-bin-Worte als Tag- und Nachtbegleiter,
als gute Nahrungsergänzung,
wollen unsere Sehnsucht nach dem wahren Himmelsbrot stillen.
Jesus als Brot  ist ein Brot für alle,
das in Gemeinschaft gebrochen und gegessen werden soll.
Es ist ein Schaubrot, das alle einläd:
Kommet und sehet wie freundlich der Herr ist. AMEN

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