Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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12. April 2001 - Gründonnerstag - 2. Mose 12,1-7+11-14
Vikarin Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!
An Gründonnerstag feiern wir 
den Tag der Einsetzung des Heiligen Abendmahls.
In dieser Feier kommen wir dem Wesen unseres Gottes ganz nahe,
wir dürfen uns in das Allerheiligste begeben -
und jeder von uns bekommt gesagt:
Gott mit Dir - Christi Leib, für Dich gegeben.
Gott mit Dir - Christi Blut, für Dich vergossen.
So kann in uns ein Bewußtsein entstehen,
daß uns sagt: Gott in uns - weil wir Gottes Kinder heißen.

Die Geschichte Gottes 
mit seinen Kindern ist so alt,
wie das Bestehen dieser Welt - 
Die Geschichte Gottes
mit seinen Kindern ist in unsere Herzen eingeschrieben.

Eigentlich sind es viele Einzelgeschichten.
Viele Geschichten, die Gott mit den seinen gelebt hat,
sind aufgenommen im Gesamtbewußtsein der Menschheit,
immer wieder weitererzählt und
eingeschrieben in heiligen Texten.

Als Predigttext
haben wir heute - am Tag der Eisetzung des Heiligen Abendmahls -
einen Text vor uns aus dem 2. Buch Mose, dem 12. Kapitel.
Durch die Erzählung werden wir hineingenommen
in ein Geschehen größter Tragweite -
ein Befreiungsgeschehen, in der die Treue Gottes 
zu seinen Erwählten kraftvoll und deutlich sichtbar wird.

Wenn wir uns einlassen auf diesen Text,
finden wir uns wieder in der Fremde:
in Ägypten, östlich des Nildeltas, im Lande Gosen -
dort, wo Ramses II. seine Voratsstädten hat bauen lassen.
Dem Pharao kamen diese herumziehenden Halbnomaden gerade recht. 
Schon seit 400 Jahren näherte sich
ein semitischer Stamm dem fruchtbaren Nildelta.
Ihr Stammesbegründer war Abraham der Hebräer,
dann brachte sie Jakob nach Ägypten.

Die vom Pharao über sie eingesetzten Fronvögte
bedrücken die Hebräer mit Zwangsarbeit - 
einem unbarmherzigen Dienst.
Sie machten ihnen das Leben sauer
mit schwerer Arbeit in Ton und Ziegeln.

Das stolze Nomadenvolk wurde versklavt,
Unter Peitschenhieben, Hungerlöhnen und Elendsbehausungen 
wehklagten die Söhne und Töcher der Hebräer.

Und Gott sah sich einen Befreier für sein Volk aus: 
den Mose, „der aus dem Nil gezogene“ - 
„der am Königshof des Pharao aufgewachsen ist.“
Mose - er soll Anführer der Versklavten werden.
Er hat die Power und den Auftrag,
er soll die Israeliten aus Ägypten herausführen.

Da nützte es ihm nichts zu sagen: „Wer bin ich,
daß ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten.“
Gott sagte zu Mose: „Ich will mit dir sein ...“

Die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei ist eine schwierige Geburt.
„Ich will mit dir sein ... wenn du mit dem Pharao verhandelst.“
Doch die Verhandlungen sind zäh -
immer wieder ändert der Pharao seine Meinung.
Neun Plagen lang ging es zwischen dem Pharao und Mose hin und her.
Wasser zu Blut, Frösche in der Schlafkammer und im Backtrog,
Stechmücken und Stechfliegen,
Viehpest und Blattern,
Hagel und Heuschrecken, die alles kahl fressen ...
als neute Plage drei Tage lang dicke Finsternis.

Ein unheimliches Kräftemessen erzählt das 2. Buch Mose.
Verstockung und Herzenshärte eines Herrschers
trafen auf die Kräfte des Himmels und der Erde -
trafen auf den starken Arm Gottes.

Die zehnte Plage stand aus, erzählt im 12. Kapitel:
Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland:
Sagt der ganzen Gemeinde Israel:
Am 10.Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm,
je ein Lamm für ein Haus.
Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind,
so nehme er´s mit seinem Nachtbarn, 
der seinem Hause am nächsten wohnt,
bis es so viele sind, daß sie das Lamm aufessen können.
Ihr sollt es verwahren bis zum 14.Tag des Monats.
Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend.
Und sie sollen von seinem Blut nehmen
und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle
damit bestreichen an den Häusern, in denen sie´s essen, 
und sollt das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten,
und ungesäuertes Brot dazu, und sollt es mit bitteren Kräutern essen. ...
So sollt ihr´s aber essen:
Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und 
eure Schuhe an euren Füßen haben
und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen,
denn es ist des Herrn Passa.
Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen
und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh
und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter,
ich der Herr.
Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, 
in denen ihr seid:
Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen,
und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt,
wenn ich Ägypten schlage.

Der Predigttext nimmt uns hinein in das Passa Israels -
das Fest der Befreiung aus Sklaverei -
Geburtsstunde des Volkes Israel.

Aus den halbnomadischen Sippen wurde ein Volk,
weil Gott mit ihnen war,
weil er mit ihnen in die Tiefe gegangen ist.
Davon erzählt dieser heilige Text.

Die Befreiung wird lebendig gehalten,
von Generation zu Generation gefeiert.
Das Lamm und das Brot wird gegessen.

Das Essen im Familienverband hat eine besondere Bedeutung:
Die Hausgemeinschaft, die kleinste Einheit des Volkes
versammelt sich des Nachts um den Braten.
Die Teilnehmer sollen
sich nicht vollessen, müde werden und schlafen -
sie sollen sich nicht in einer kuschligen Runde wohlfühlen -
Das Essen des Lammes in dieser Nacht gilt der Stärkung,
der Vorbereitung für den EXODUS -
den weiten Weg durch die Wüste.

Und Gott, der an ihnen vorübergeht, sie verschont,
ist ein wandernder Gott - der sich Raum schafft, wo er will,
und der in die Tiefe des Lebens steigt - in Wüstenregionen.

Verschont werden die Häuser,
die mit dem Schutzzeichen gekennzeichnet sind:
dem Blut des Lammes, daß in dem Haus verzehrt wird.
Für die Geschützten beginnt mit dem Essen
des Mahles, dem Brechen des ungesäuerten Brotes und
dem Kauen auf bitteren Kräutern 
schon die Zeit ihrer Freiheit.

Gegürtet, mit Schuhen an den Füßen und
dem Wanderstab in der Hand warten die zur Freiheit Berufenen
auf ihren Einzug in die Geschichte.
Eilig sind sie hinauszutreten ins weite Land,
wegzukommen von der Bedrückung - dem Sklavendasein

Das Passa des Herrn
hat als gefeiertes Fest, als Gedenktag,
eine wechselvolle Geschichte.
Generationen haben die Erzählung vom Auszug weitergegeben,
haben symbolisch die Speisen des Auszugs gesessen,
haben sich hineingefühlt in die Aufbruchssituation.
Der Faden der Überlieferung ist nicht abgerissen -
Gottes Befreiungstag blieb im Gedächtnis lebendig und
gab immer wieder neue Kraft in schwierigen Situationen.

Ob nun das Volk ins Exil geführt wurde -
deportiert, wie es heißt, 
ob der Tempel in Jerusalem zerstört wurde 
und das Land in der Hand von Besatzern war -
das Gedächtnis blieb lebendig.
Das Gedächtnis schafft Identität und Lebenskraft.

In und mit den Geschichten Israels 
ist Jesus von Nazareth inniglich verbunden.
Es sind seine Geschichten - 
seine Identität findet er in den Geschichten -
die Geschichten sind in seinem Gedächtnis.
Der Gott Abrahams ist sein Vater und
wurde durch ihn zu unserem Vater.

Jesus zog sich seine Wanderschuhe an
und machte sich auf den Weg.
Er blieb stehen, wo das Elend an den Straßenrändern auf ihn wartete.
Den Aussätzigen hielt er seine warme, heilende Hand hin,
und den Suchenden gab er ein Stück Evangelium,
ein Stück vom Himmel.

Mit seinen Jüngern, mit Zöllnern und Sündern hielt Jesus Mahl.
Er aß und trank mit ihnen - 
saß in Augenhöhe und segnete die Gemeinschaft.
Manche hielten Jesus von Nazareth für einen Wirrkopf, einen Träumer
und andere spürten, das von ihm eine Kraft ausging,
die ihn zum gefährlichen Revolutionär machte.

Gefährlich näherte sich Jesus
der Stadt Jerusalem zum Passafest.
Ein Hauch von Freiheit umgab ihn,
den Sohn Gottes - heilender Wundertäter, 
predigender Rabbi und Profet.
Welche Mauern könnten ihn aufhalten?
Was ist zu schwer für diesen Gottesmann?

Kurz nachdem Jesus das Passa des Herrn mit seinen Jüngern 
gegessen hatte, warteten schon die Hescher,
römische Soldaten mit Schwertern und mit Stangen.
Von ihnen hat sich Jesus von Nazareth 
ins Angesicht schlagen lassen.
Das finstere Tal des Leidens hat er voll durchschritten.
Nun stehen wir im Schatten des Galiläers.
Des Mannes aus Nazareth - 
der uns durch sein Leiden und Sterben Gott nahebrachte -
In die Tiefe gegangen
hielt er menschliche Existenz aus 

Die Geschichte vom Auszug aus Ägypten ist
wie die Geschichte Jesu von Nazareth
blankes Evangelium, daß uns etwas sagen will,
daß in unsere Herzen den Geist der Freiheit pflanzen möchte.

Die Geschichte Jesu von Nazareth ist Gottes Geschichte.
Gottes Bund, Gottes Treue, Gottes Wege - Kreuzwege
Und genau dort
wo die Kreuze aufgerichtet werden,
ist der Gott, der in die Tiefe geht zu finden.

AMEN

Ideen und Mails an: webmaster@comtheo.de