Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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12.Juni 2000 - Pfingstmontag - 1. Mose 11,1-9
Vikarin Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!

Am Ende der Urgeschicht im 1.Buch Mose
zwischen der Sintflutgeschichte und dem Beginn der
Vätergeschichte mit Abraham, Isaak und Jakob,
findet sich der Turmbau zu Babel.

Mit der Turmbau-Erzälung wird die Sprachen- 
und Völkervielfalt der Welt sagenhaft erklärt:
.................................
Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
Als sie nun nach Osten zogen,
fanden sie eine Ebene im Lande Schinar
und wohnten daselbst.
Und sie sprachen untereinander:
Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen! -
und nahmen Ziegel als Stein
und Erdharz als Mörtel und sprachen:
Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen,
dessen Spitze bis an den Himmel reiche,
damit wir uns einen Namen machen;
denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.

Da fuhr der Herr hernieder,
daß er sähe die Stadt und den Turm,
die die Menschenkinder bauten.
Und der Herr sprach: 
Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache
unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns;
nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können
von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
Wohlauf, laßt uns herniederfahren
und dort ihre Sprache verwirren,
daß keiner des anderen Sprache verstehe!

So zerstreute sie der Herr von dort in alle Länder,
daß sie aufhören mußten,
die Stadt zu bauen.
Daher heißt ihr Name Babel,
weil der Herr daselbst verwirrt hat
aller Länder Sprache
und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
.......................
Eine starke Geschichte.
Sie läd ein, genau hinzusehen und
mit den Bauleuten und Gott ins Gespräch zu kommen.

„Warum mußtet ihr, Bauleute, 
unbedingt einen so hohen Turm bauen?“
und, 
„Warum mußtest du, Gott, 
gleich alles so durcheinander bringen?“ 

Der Ausgangspunkt:
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.
Dies sprach Gott zu den Überlebenden der Sintflut.
Das taten die Nachkommen des Noha denn auch
und breiteten sich aus über die ganze Erde.

Eine Gruppe dieser Nachkommen
tat sich zusammen, 
- ja, die müssen sich gut verstanden haben -
sprachen einerlei Sprache und
einigten sich auf ein waghalsiges Unternehmen.

„Ihr seid eine mutige Truppe,
brecht auf zur 1.Völkerwanderung.
Euer Ziel liegt im Zweistromland am Euphrat,
- eine Ebene im Land Schinar -
fruchtbares Schwemmland ist euer Ansiedlungsgebiet.“

Was läßt sich dagegen sagen? 
Sie handeln durchaus auftragsgemäß nach göttlicher Weisung.

Sie organisieren sich,
handeln dynamisch und
zielbewußt.

Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen! -
und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel...

Genial, 
in dieser Talebene am Euphrat
stellen die Menschen ihr eigenes Baumaterial her.
Das nennt sich inovativ:
Nicht Steine von weit her schleppen,
sondern Bausteine selber herstellen
aus Lehm brennen - praktisch in Massenproduktion
für das Projekt: Neustadt im Land Schinar.

Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen,
dessen Spitze bis an den Himmel reiche,

Ein Wahnsinns-Programm:
Immer mehr Ziegel werden gebrannt, und
immer größer wird die Stadt.
Das Bauprojekt gewinnt Eigendynamik.

Die Stadt dehnt sich immer weiter aus.
Und der Turm in dessen Mitte
gewinnt an Bedeutung.
Je größer die Stadt ist,
desto größer muß auch der Turm werden.

Da kommt nun die Frage an die Bauleute:
„Warum mußtet ihr unbedingt einen so hohen Turm bauen?
Immer höher, bis an das Firmament -
Wollt ihr denn den Himmel stürmen?
Ist eure Kreativität im Planen und Bauen nicht zu bremsen?
Außerdem steckt ihr nicht zu viel Kräfte
in den Turm? - Zu viele Menschen müssen 
daran arbeiten, und die Arbeit wird immer gefährlicher.“

Die für das Bauwerk Verantwortlichen,
die Architekten und Spezialisten,
legen ihre Motive offen:

„Wir bauen den Turm in der Mitte unserer großen Stadt so:
damit wir uns einen Namen machen;
denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“

Der Turm steht symbolisch da
für Sicherheit und Repräsentation.
Er ist eine Art Wegweiser, ein Wachturm. 
Von ihm aus reicht der Blick weit ins Land.
Alle Trutzburgen, alle mittelalterlichen Städte
hatten Türme zu ihrer Sicherheit.
Sicherheit ist ein Grundbedürfnis,
dient den Menschen und kann ernsthaft
von göttlicher Seite auch nicht kritisch gesehen werden.
So sehe ich das, denn ich möchte auch in Sicherheit leben.
Also der Turm sollte der Einheit dienen,
helfen zusammen zu bleiben -
helfen gegen die Angst zerstreut zu werden.

Sicherheitsbedürfnis und Angst
haben das Turmbauwerk entstehen lassen.

Gleichzeitig soll der Turm ein repräsentatives Bauwerk 
sein, ein gigantisches Bauwerk,
er soll von Stärke und Macht zeugen.

Die Erbauer wollen allen weit sichtbar zeigen, 
wer sie sind. Sie demonstrieren mit ihm
unmißverständlich Macht.
Dieses Geltungsbedürfnis hat den Turm
grenzenlos hoch werden lassen,
und er soll weiter wachsen.

„Wir machen uns einen Namen! -
Das zeigen wir vor aller Welt - vor Gott und Mensch.
Die Spitze unseres Turms soll 
bis an den Himmel reichen.
Für alle sichtbar steht er majestätisch im Sonnenlicht -
Wir machen uns auch vor Gott einen Namen.“

Die Ebene zwischen Schöpfer und 
Geschöpf wird versucht anzugleichen.
Gottes-Geschöpfe wollen auf Gottes Ebene
hinaufhüpfen - die göttliche Sphäre erklimmen.
Sie wollen Gott gleich sein,
berufen sich auf ihre Fähigkeiten,
auf ihre Gottgleichheit.
Sie schreiben ihren Namen in den Himmel,
und wollen sein wie Gott.

Mit dem Hinaufklettern zu Gott
klappt es nicht so ganz - im Text heißt es ironisch:
Da fuhr der Herr hernieder,
daß er sähe die Stadt und den Turm,
die die Menschenkinder bauten.
Gott muß herniederfahren, um diese Teil zu sehen,
den Ziegelstein-Turm seiner Menschlein.

Was wollten sie Gott zeigen?
Ihre Größe, ihre Machtfülle - 
mit einem majestätischen Wolkenkratzer,
einem Hochhaus im Himmel -
für Grüß-Gott-Sager im 120.Stockwerk?

Nun ist Gott, Schöpfer des Himmel und der Erde
an der Reihe - er greift ein, wie er es schon einmal
in der Urgeschichte getan hat.
Und wir betrachten sein Eingreifen als
Glieder der Gattung Mensch,
durchaus solidarisch mit den Erbauern des Turms.
„Warum mußtest du, Gott, 
gleich alles so durcheinander bringen?
Du fährst hernieder mit deinem Dampfhammer
treibst alle auseinander. 
- Ähnlich wie bei der Sintflut, 
bei der du alle bis auf Nohas Geschlecht
absaufen läßt.“

Wenn Gott eingreift,
dann wird es drastisch.
Gibt es denn bei ihm unterschiedliche Motive?

Der Wunsch der Gottgleichheit ist für ihn 
Grund zum Handeln.
Dies ist der Anfang ihres Tuns;
nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können
von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun...

in Zukunft:
- Sie können das eigene Sonnensystem bereisen
- Sie können genetisch in das Erbgut eingreifen
- Sie können die Erde atomar vernichten
- Sie können mit ihrer Computer-Technik einfach alles.

Das ist die Zukunft der Bauleute von Schinar,
da soll der Weg hingehen - 
wir als ihre Nachkommen wissen es nur zu gut -
es ist unser Weg, unsere Türme, unsere Städte
unser organisiertes Leben.

Nach der Sintflut
sprach Gott zu den Menschen:
Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen
um der Menschen willen ...
Solange die Erde steht, soll nicht aufhören
Saat und Ernte, Frost und Hitze,
Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Er gab der Menschheit von seiner Seite aus
eine Bestandsgarantie.

Beim Turmbau, in der Geschichte
in der Gott alles und jeden am Ende 
durcheinanderwirbelt, die Menschen und deren Sprache,
zerstört er nicht. 
Die Menschen gehen auseinander, 
und widmen sich neuen Projekten.
Gott sorg dafür, daß der Turm nicht weitergebaut wird.
Er sorgt auf diese Weise für 
die Verschiedenheit von Völkern und Sprachen.

Sein exemplarisches Handeln soll
aufmerksam machen auf ihn selbst,
auf den Herrn der Welt.
Er ist Dreh- und Angelpunkt,
Er ist die Mitte,
Er ist die Quelle des Lebens,
auf ihn hin ist alles geschaffen.

Wir müssen nicht sein wie Gott,
wir bekommen unser Leben geschenkt von ihm.
Er gibt uns den Segen,
Er gibt uns den Geist.

In seinem Namen
dreht sich die Erde um die Sonne,
in seinem Namen atmen wir und
in seinem Namen können wir selbst ein Segen sein 
für unsere Mitmenschen.

Unsere Zukunft liegt
in Gottes Hand.
Geheiligt werde sein Name,
Sein Wille geschehe,
Sein Reich komme,
im Himmel wie auf Erden.

Für die Tage unseres Lebens gilt:
Wir gestalten,
wir beten,
wir träumen,
wir hoffen,
wir bauen Türme - wir bauen Bauwerke
für Freiheit und Gerechtigkeit,
für die Bewahrung der Schöpfung
in Gottes Namen.

AMEN

Ideen und Mails an: webmaster@comtheo.de