Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


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Predigt zu Lukas 16,1-9 
Volkstrauertag (14. November 1999) 
Vikar Martin Jensen 
 
Liebe Gemeinde, 
die letzten Tage des Kirchenjahres haben es in sich. Wir sind hin und her gerissen zwischen 
Krieg und Frieden. Jeder Gedenktag, einschließlich dieses Sonntags, hat eine doppelte 
Bedeutung. 
Am 9. November 1938 brannten die Synagogen. Juden weinten und starben. 
Am 9. November 1989 öffnete sich ganz unverhofft die Mauer. Menschen lachten. 
Am einem 11. November im 4. Jhd. wurde der ehemalige römische Soldat Martinus beerdigt, 
der mit einem Bettler seinen Mantel teilte. Wir tragen für den heiligen Martin Laternen und 
singen. 
Der fränkische König Chlodewig zog jedoch mit dem Mantel des Martin als Schutzzeichen in 
den Krieg. Der heilige Martin brachte den Gegnern den Tod. 
Heute, am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, gedenken wir der Gefallenen aller Kriege 
und trauern: Volkstrauertag. Gleichzeitig bitten wir um Frieden: Friedenssonntag. 
Viele Bilder und Empfindungen steigen auf. Die Spannung zwischen Krieg und Frieden will 
sich entladen. 
Mitten in diese Situation tritt Jesus und erzählt eine Geschichte. Und was für eine Geschichte. 
Ein Schurkenstück. Ein Verwalter verschleudert nicht nur das Vermögen seines Herren. Er 
nutzt noch vor seiner Entlassung seine Kompetenzen, um sich bei den Schuldnern seines 
Herrn lieb Kind zu machen. Der Verwalter will nicht arbeiten und nicht betteln. Die 
Schuldner sollen ihm dankbar sein dafür, daß ihre Schulden geringer werden. Eine Hand 
wäscht die andere. Ein wirklich gerissener Mensch. Das erkennt auch der reiche Mann, dem 
dies Tun nicht verborgen bleibt. Soweit, sogut. Aber Jesus setzt noch einen drauf.  Er erzählt: 
"Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder 
dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts." Das geht nun aber zu 
weit. Die Menschen, die an Gott glauben, sollen sich an den Menschen außerhalb der 
Glaubensgemeinschaft orientieren. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir die Schuld des 
Mitmenschen minderten oder sogar vergäben? 
 
 
Ich befürchte, Jesus würde sagen, "ein Stück näher zu Gott." Und damit ein Wegstrecke näher 
vom Krieg zum Frieden. Denn der Verwalter in seiner Geschichte handelt gar nicht so, wie es 
uns eigentlich vertraut wäre. Er zeigt uns einen offenen, ungeschönten, aber ehrlichen 
Umgang mit der Schuld. Er verschließt die Augen nicht vor seinen eigenen Fehlern. 
Vom Herrn zur Rede gestellt, bestreitet der Verwalter seine Schuld nicht. Er versucht nicht 
einmal, sich rauszureden. Er nimmt das Urteil und die Strafe an. Der Verwalter bekennt seine 
Schuld im Schweigen. Ich muß zugeben, daß dies meinen Respekt verdient. Der Verwalter 
sieht den Balken in seinem eigenen Auge und nicht nur den Splitter im Auge des 
Mitmenschen. Er weiß vielmehr um die Tragweite der Strafe. Er versucht, mit dem Wissen 
um seine Schuld die Zukunft zu gestalten. 
Diesen offenen Umgang mit der eigenen Schuld setzt der Verwalter auch bei seinen 
Mitmenschen fort. Er handelt konsequent. Er fordert das Schuldeingeständnis auch von den 
Schuldnern seines Herrn. "Wieviel bist du meinem Herrn schuldig?" Eine harte, unerbittliche 
Frage.  
Die herbeigerufenen Schuldner müssen ihre Schuld im vollen Umfang eingestehen. "Wieviel 
bist du meinem Herrn schuldig?"  Die Schuldner müssen bekennen. Sie dürfen die Augen 
nicht verschließen vor ihrem Schuldig-Sein. Sie argumentieren nicht: "Das haben doch alle so 
gemacht." oder "Unsere Wirtschaft produziert eben alles, auch effiziente Kriegswaffen. Was 
können wir dafür, wenn sie zum Töten eingesetzt werden?" oder "Wir sind einem Bündnis 
verpflichtet. Wir sind doch verläßlich." Diese Argumente verschleiern die Schuld, die 
konkrete Menschen den Geboten Gottes gegenüber auf sich laden. 
Die Schuldner des reichen Mannes benennen ihre Schuld offen. Sie verkleinern und 
beschönigen nicht. Dabei können sie nicht ahnen, was ihnen blüht. Ganz unverhofft wird ihre 
Schuld gemindert. Gemindert von dem Verwalter, dessen eigene Schuld ihm den Job kosten 
wird. Aber noch hat er das Recht dazu. Noch ist er Verwalter seines Herrn. Er kann Schuld 
festsetzten, aber auch mindern. Das ist die Meisterleistung des Verwalters, für die er vom 
Herrn Lob empfängt. Dem Schuldeingeständnis folgt kein Freispruch.  Der Verwalter 
ermöglicht den Schuldnern ein Leben mit geringerer Bürde. Er sieht sie nicht mehr so 
ungnädig an. Der Verwalter setzt ein neues Signal, traut sich, Vergebung von Schuld 
zuzusagen. Er handelt noch als Verwalter und scheint endlich seiner Aufgabe gerecht zu 
werden. Das Lob gibt seinem neuen Verhalten recht.  
 
 
Liebe Gemeinde, es ist schon in Friedenszeiten wahrlich schwierig, Menschen ihre Schuld zu 
vergeben. Im Krieg scheint dies unmöglich. Wie kann dann eine Kosovo-Albanerin einen 
Serben entschulden, der ihren Mann als Scharfschütze tötete? Väter, Mütter und Kinder 
trauern. Doch gerade Kriege wie dieser zeigen, was geschieht, wenn Trauer sich mit der 
Aufrechnung von Schuld zusammentut. Der Sohn des Getöteten tötet nach Kriegsende 
serbische Bauern im Nachbarort. Wieder trauern Frauen und Kinder. Die Schuld vervielfacht 
sich, greift vom Täter auf das Opfer über. Gejagte werden Jäger. Die Schuld wird 
weitergetragen. Immer mehr Menschen werden schuldig. 
Der Verwalter wird gelobt, weil er anders handelt. Er vergibt den Schuldigern seines Herrn 
einen gewissen Teil ihrer Schuld. Nicht alles, oft noch nicht mal die Hälfte. Aber er sagt ihnen 
Entlastung zu. Allerdings nicht ohne Gegenleistung. Der Verwalter wird Kontakt zu ihnen 
suchen und von ihnen Dankbarkeit erwarten. Die Schuldner werden sich in Zukunft mit dem 
Verwalter auseinandersetzten müssen. Vielleicht haben sie den Verwalter bisher nicht 
gemocht, vielleicht sogar gehaßt. So wie auch Gegner in Kriegen, wie Serben und Kosovaren, 
sich hassen und Feindbilder aufbauen, damit das Töten leichter fällt. Getötet wird dann "der 
Feind" und nicht ein Mensch, ein Mitmensch.  
Nun wird dem verurteilten Gegner ein Teil der Schuld erlassen wird. Dies schafft eine 
besonderes spannende Atmosphäre. Der Schuldner erhält die Chance, seine Einstellung zum 
Vergebenden zu überprüfen. Sein Weltbild gerät ins Wanken. Ihm wird Gnade 
entgegengebracht, Gnade vom Feind. Diese Gnade kann ihn berühren, ihn neugierig machen 
auf den ehemaligen Gegner. Dies ist kein Automatismus, aber eine Chance. Eine Chance, in 
Frieden miteinander zu leben. Hieraus kann die gemeinsame Trauer über den Tod geliebter 
Menschen erwachsen.Unser heutiges Gedenken an alle Toten von Krieg und Gewalt ist dafür 
ein Zeichen. 
Jesus hat uns ein Gebet gelehrt, mit dem wir uns ganz vertrauensvoll zu Gott wenden. Im 
Vaterunser heißt es: "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern 
Schuldigern."  Gott spricht mir durch Jesus die Vergebung meiner Sünden zu. Das ist mehr, 
als der Verwalter von seinem Herrn erwarten konnte. Das Vergeben den Mitmenschen 
gegenüber soll unsere Antwort auf die Liebe Gottes sein. Solange ich einen Menschen für 
schuldig halte, werde ich ihm die Liebe Gottes nicht erweisen. Ich erstarre in meinen 
Beurteilungen.  
Gott will aber, daß ich seine Liebe gerecht und sinnvoll einsetze. Als von Gott geliebter 
Mensch kann ich Gnade einziehen lassen in meine Gedanken.Ich kann den Kreislauf von sich 
vervielfachender Schuld durchbrechen. Damit gebe ich der Liebe Gottes eine Chance. Sie 
kann Raum gewinnen zwischen Trauer und Angst mitten im Krieg. Die Vergebung ermöglicht 
erneutes Zusammenleben von Menschen. Nur aus dieser lebendigen Auseinandersetzung 
zwischen Menschen kann Frieden entstehen.  
Jesus erzählt ein Schurkenstück. Doch selbst dieser Verwalter, ein Kind der Welt, kann durch 
Minderung von Schuld Frieden schaffen.  
Jesus will, daß ich als Christ, als Kind des Lichts,  mit den Schuldnern in Kontakt trete und zu 
ihnen sage: "Nimm hier deinen Schuldschein, setz dich schnell hin und schreibe:..." Das ist 
kein einfacher Akt. Es gehört Mut und Vertrauen dazu, aufeinander zuzugehen. Was ich den 
anderen schreiben lasse, hängt von vielen Umständen ab. Aber ich kann als Kind des Lichts 
dieses Licht weitergeben und dem Mitmenschen ein Licht sein. Dann bin ich wie ein Kind, 
das seine Martinslaterne mit einem anderen Kind gemeinsam trägt. 
 
Amen 

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